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Es ist das Jahr 2001 und die verrückte Drummond-Familie kommt im Rentnerparadies Florida zusammen, um Zeuge zu werden, wie die Hoffnungsträgerin der Familie, Tochter Sarah, von Cape Canaveral ins All startet. Doch Mutter Jane, Ex-Mann Ted und die zwei Söhne samt Freundinnen werden in Ereignisse verstrickt, die sie selbst geradezu normal aussehen lassen: ein Amoklauf in einem Schnellimbiss inklusive.Wieder einmal gelingt es Coupland, die vermeintlich keimfreie Technicolor-Wirklichkeit Amerikas mit seinen Fastfood-Restaurants, Motels, Shopping-Malls und Trailer-Parks in einen Schauplatz zu…mehr

Produktbeschreibung
Es ist das Jahr 2001 und die verrückte Drummond-Familie kommt im Rentnerparadies Florida zusammen, um Zeuge zu werden, wie die Hoffnungsträgerin der Familie, Tochter Sarah, von Cape Canaveral ins All startet. Doch Mutter Jane, Ex-Mann Ted und die zwei Söhne samt Freundinnen werden in Ereignisse verstrickt, die sie selbst geradezu normal aussehen lassen: ein Amoklauf in einem Schnellimbiss inklusive.Wieder einmal gelingt es Coupland, die vermeintlich keimfreie Technicolor-Wirklichkeit Amerikas mit seinen Fastfood-Restaurants, Motels, Shopping-Malls und Trailer-Parks in einen Schauplatz zu verwandeln, in dessen Nischen der fleischgewordene Abgrund lauert und der gleichzeitig für seine nach Erlösung suchenden Helden märchenhafte Rettung bereithält.
Autorenporträt
Douglas Coupland geboren 1961 auf einem NATO-Stützpunkt in Deutschland, wuchs in Vancouver auf, wo er auch heute als Autor und Künstler lebt. In den späten Achtzigern begann er für lokale Magazine zu schreiben, daraus resultierte 1991 sein Erstlingswerk, das ihn schlagartig berühmt machte und zum Sprachrohr einer Generation werden ließ.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Tom und Jerry im Flachdachbungalow
Psychosen-Allerlei: Douglas Coupland läßt seine Figuren leiden wie Serienstars / Von Nils Minkmar

Manchmal schreckt Douglas Coupland nachts auf, weil er albträumt, er sei arbeitslos. Dann muß er halbwach kurz nachdenken, was eigentlich sein Beruf ist, und beruhigt sich schließlich mit dem Gedanken: "Ich schreibe Bücher." Daß ihn der Zweifel an seinem Beruf, den er tagsüber dank seines soliden Status als Berühmtheit verdrängen kann, nachts heimsucht und daß er über diese Heimsuchung in Interviews spricht, zeigt eine fundamentale Unsicherheit in der Rolle des Schriftstellers. Sie ist nicht unbegründet und hinterläßt im Werk deutliche Spuren: Douglas Coupland ist kein Erzähler. Hinter jeder Figur ist das clevere Konzept erkennbar, und in den tonlosen Dialogen hört man die Stimme des Autors. Das weiß er selbst am besten: Er hat sich, auch das bekennt er mit fast manischem Drang in Interviews, das Handwerk des Schreibens beigebracht, als er längst ein bekannter Bestsellerautor war, und vertraut auf seine Lektorin, um aus seinem Manuskript ein richtiges Buch zu machen.

Couplands Romane haben offenkundige Schwächen, aber sie haben auch Charme. Es sind Texte, die gleichsam mit einem Datumsstempel versehen sind, mit minimalistischen melancholischen Betrachtungen, die einen über die Lektüre hinaus begleiten. "Ich bin in Disney World. Nichts deutet auf die Welt außerhalb dieser Anlage hin, wie in einem Spielcasino. Es könnte 1986 sein, 2001 oder 2008. Und das soll lebensbejahend sein? Dieser Park ist ein kosmischer Traumvernichter. Alles, was man einem Ort wie diesem abringen kann, ist ein gruseliger kleiner Kitzel, der einen wissen läßt, daß das eigene Kind nie mehr als ein Kunde sein wird." So ist das bei Coupland schon seit seinem ersten Buch, "Generation X", dessen soziologisches Konzept und vor allem das Glossar mit Begriffen wie McJobs und Poverty Jet-Set so erfolgreich wurde, während Personen und Handlung längst und zu Recht vergessen sind.

Seitdem sind eine Menge Bücher von Coupland erschienen, und er hat hart an sich und seiner Fähigkeit zu erzählen gearbeitet. Dumm ist nur, daß man das auch dem vorliegenden Roman so deutlich anmerkt. Von Anfang an scheint er dem Leser permanent mitteilen zu wollen: Ich packe dich, ich fahre die sensationellsten Figuren vor die unglaublichsten Kulissen. Zum Beispiel mit Sarah, einem Contergan-Kind, die trotz ihrer Behinderung Astronautin wird. So rührend intelligent und moralisch integer ist diese Sarah, daß ihr Vorbild nur die hochbegabte Zeichentrickfigur Lisa Simpson gewesen sein kann. Zum feierlichen Start ihrer Raumfähre hat Sarah die Familie nach Florida eingeladen. Und diese Familie, im Deutschen bloß "verkorkst", ist im Original immerhin "psychotisch".

In dieser Ausgangssituation läßt sich schon das Couplandsche Leitmotiv erkennen: Wo der Moment in seinem futuristischen Versprechen so erhaben scheint über die Mühen und Beschwernisse des Alltags wie beim Start einer Raumfähre, gerade da wird die ganze Schwere irdischen Lebens deutlich spürbar, ist die Enttäuschung über die Zeit, welche sich die Zukunft läßt, bevor sie endlich ihre Versprechen einlöst, besonders schmerzlich. Personifiziert wird dieser Gedanke von Janet, Sarahs Mutter. Die Hausfrau und Mutter muß bei Coupland das exemplarische Schicksal eines Langzeit-Seriendarstellers erleiden, dem alle nur denkbaren Fährnisse zustoßen. Die Hoffnungen, ihr Leben in hellen Flachdachbungalows zu verbringen, Cocktailparties zu geben und dem Gedeih von Ehemann und Kindern zuzuschauen, verkommen zur Groteske ihres Lebens. Diese kulminiert in einer tolldreisten Szene, als Janets ältester Sohn Wade sich im Haus der Mutter vor seinem Vater Ted verstecken muß.

Wade hatte sich mit einer fremden Blondine auf schnellen Sex eingelassen und hinterher zum ersten Mal seit vielen Jahren seinen Vater getroffen und ihm von der Begegnung erzählt. Da geht die Tür auf, die neue Ehefrau des Vaters kommt herein - und allen Beteiligten wird klar, daß es sich um Wades Blondinenbekanntschaft handelt. Was folgt, ähnelt einer Tom-und-Jerry-Episode: Der Vater versucht, den Sohn zu erschießen, doch die Kugel dringt durch Wades Schulter, um die Mutter zu treffen, die sich so mit dem HIV-Virus infiziert. Aber das ist nicht alles. Der Roman hat noch eine böse Schwiegertochter mit dem merkwürdigen vokallosen Vornamen shw, die als Leihmutter arbeiten will. Dann taucht noch ein Gen-Unternehmer namens Florian auf, der deutscher Herkunft ist und daher immerzu "ins Telefon bellt". Schließlich gibt es auch einen "Mac Guffin", wie Hitchcock das begehrte Objekt zu nennen pflegte, hinter dem alle her sind: Hier ist es ein Brief, und zwar jener, den Prinz William auf den Sarg von Diana gelegt hat, ein weißer Umschlag mit dem Schriftzug "Mummy".

An komischen Momenten fehlt es dem Buch also nicht. In den Handlungspausen aber wird es ernst. Da reflektiert Janet über die Enttäuschungen der Frauen ihrer Generation: "Wenn ich mich geschickter angestellt hätte, wäre ich heute . . . tja, was? Richterin? Die Schulterpolster tragende Chefin irgendeines Elektronikkonzerns? Besitzerin einer Muffin-Bäckerei? Das soll Erfolg sein? Erfolg ist Versagen, Versagen ist Erfolg. Wir haben so viele verschiedene Signale zugleich erhalten, daß am Ende nichts aus uns geworden ist." Die Hoffnungen auf ein übersichtliches, leichtes Leben, wie man es sich in den Familienserien der Sechziger erträumen konnte, haben sich nicht erfüllt. Das Leben blieb irgendwie gefährlich, düster und steter Veränderung unterworfen. In gewisser Weise klagt Coupland, der 1961 auf einem deutschen Nato-Stützpunkt geboren wurde, mit seinen Büchern immer wieder die Friedensdividende ein: Der Westen hat die Konfrontation gewonnen, nun soll er auch all das einlösen, was in der Kennedy-Ära an futuristischen Versprechen gemacht wurde. Der Wunsch nach einem schwerelosen Leben beschränkt sich bei Coupland nicht auf die historische Überlegung. Er führt ihn auch zu einer religiösen Erlösungsphantasie: Am Ende bittet die vielgeprüfte Janet ihre Tochter, einen Zopf ihres Haars ins All fahren zu lassen, damit er beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühe und die Menschen denken, sie sähen einen Stern. In seiner großen Dokumentation über die Geschichte des amerikanischen Kinos stellt Martin Scorsese fest, daß die drittklassigen Filme historisch aussagekräftiger sein können als die hochwertigen Produktionen der Studios, weil sie weit geringerer Kontrolle unterworfen waren. Politische oder gesellschaftlich kontroverse Themen konnten von weniger bekannten Autoren leichter untergebracht werden. So wurden manche heute längst vergessenen Regisseure zu "Schmugglern" eigenwilliger, überraschender Wahrheiten. So könnte auch Coupland in der Literatur den Platz eines Autors einnehmen, der nie die Great American Novel vorlegen wird, aber der zu überliefern versteht, welche Faszination eine Gestalt wie Bill Gates auszuüben vermochte und wie sich enttäuschte Vorort-Hausfrauen in den Chaträumen des Internet nach Abenteuern umschauen. Psychotisch? Auf jeden Fall. Daß es in allen Einfamilienhäusern so zugehen könnte, so will uns dieser Roman weismachen, sei ein Trost, aber man glaubt es ihm nicht so recht. Eigentlich ist Coupland nämlich doch enttäuscht darüber, daß Mütter nicht dauergewellt und ewig glücklich auf fliegenden Rasenmähern durch die Vorortgärten schweben.

Douglas Coupland: "Alle Familien sind verkorkst". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Tina Hohl. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2002. 335 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2002

Alarm auf unserer kleinen Pharm
DNA-Klau und ein Feuerwerk der F-Wörter: Douglas Couplands Romangroteske „Alle Familien sind verkorkst”
Diese Familie ist ein Potpourri aus unheilbaren Krankheiten, abgebrochenen Beziehungen und grandiosem Galgenhumor. Wade Drummond, ein in die Jahre gekommener Slacker mit kriminellem Hintergrund, leidet an AIDS, sein jüngerer Bruder Bryan ist ein depressiver, selbstmordgefährdeter Globalisierungsgegner. Auch ihre Mutter ist HIV-positiv: Janet Drummond wurde von einer Gewehrkugel angesteckt, die den Bauch ihres älteren Sohnes durchschlagen hat und von ihrem Ex-Gatten Ted, einem „Mr. Pfeffer-und-Salz-Brusthaar”, abgefeuert wurde. Grund des Eifersuchtsdramas ist Wades sexueller Ausrutscher mit der zweiten Frau seines Vaters, eine Begegnung, deren Softporno-Version er brühwarm an Ted weitererzählt hat.
Diese Infektionskette liegt schon einige Jahre zurück, als sich die Drummonds 2001 in Florida treffen, um den Weltraumstart von Tochter Sarah mitzuverfolgen. Sarah ist die erste einhändige Astronautin der NASA und die Lichtgestalt der Familie, denn trotz oder wegen ihrer Contergan-Behinderung hat sie sich aus den Niederungen ihrer Umgebung herauskatapultiert. Aber die Tage vor dem Shuttle-Start entwickeln sich zu einer Serie von Schauergeschichten, in denen Baby-Diebe, die werdende Mütter zu pornographischen Zwecken missbrauchen, noch die harmlosere Rolle spielen. Den zeitgeistigen Akzent setzt Coupland mit den Monstrositäten moderner Medizin: Ein Schweizer Pharma-König veranlasst Gen-Diebstähle, die das Klonen britischer Royals ermöglichen sollen.
An dieser Stelle verknüpft der Roman, der wie alle Bücher Couplands vom popkulturellen Argot lebt, den Biotech-Krimi mit einem Klassiker aus der literarischen Motivkiste: dem entwendeten Brief, der schon bei Poe die königliche Familie bedroht. Das Medium des DNA-Raubs ist ein an „Mummy” adressierter Abschiedsbrief, der aus dem Sarg von Lady Di gestohlen wurde. Sein Inhalt spielt keine Rolle, sondern nur die königliche Spucke, die den Brief verschließt und irgendwann in der Zukunft zu klonierbarem Material werden wird. Der Transport dieses Briefes entwickelt sich für Wade zum Albtraum, an dessen Ende er und seine Mutter in einen der prähistorisch anmutenden Sümpfe Floridas geworfen werden.
Obwohl Couplands groteskes Personal in vielem an die TV-Popkultur im Stil von „South Park” und „Simpsons” erinnert, haben seine Figuren eine weitere Dimension: In ihr legen sie, fast ironiefrei, Rechenschaft über ihr beschädigtes Leben ab und erreichen dabei eine erstaunliche Zartheit. Janet, die einsame kanadische Hausfrau, bezieht via Internet nicht nur Contergan gegen ihre Aphten. Über ihre Medizin-Newsgroup lernt sie andere AIDS-Kranke kennen und beginnt, das Netz als Hort der Befreiung wahrzunehmen. Nebenbei loggt sie sich auch noch als „Hot Asian Teen” in dubiose Chatrooms ein und legt sich Identitäten jenseits ihrer Familienexistenz zu.
Solche Erlösungsphantasien – das All, das World Wide Web, die Familie – halten die menschlichen Wracks am Leben, die sich in den barocken Gegensätzen des „Science-Fiction-Planeten Florida” einrichten: Schlamm und Plastik, heimtückische Krankheiten und Biotech-Erfolge, unterste Höllenkreise und himmelhochjauchzende Rettung durch spektakuläre NASA-Aktionen. Der Kanadier Coupland ist seit dem weltweiten Erfolg von „Generation X” (1991) einer der wichtigsten Porträtisten der amerikanischen Gesellschaft. Den Irrwitz der Drummonds mit dem Schreckgespenst der Gen-Diebe zu verbinden, ist ein gelungener Coup und bietet sprachlich obendrein ein beeindruckendes Feuerwerk der F-Wörter. Dass die Familie als Institution nicht nur ausnahmsweise psychotische Strukturen hat, kann Coupland mit seinen Kuschelmonstern allerdings nicht beweisen.
JUTTA PERSON
DOUGLAS COUPLAND: Alle Familien sind verkorkst. Roman. Aus dem Englischen von Tina Hohl. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2002. 336 Seiten, 19, 90 Euro.
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Mit diesem Roman hat Coupland den zweiten Gipfel seiner Karriere erklommen. Independent on Sunday